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Als Schüler im Jahr 1904

Aus der Schulchronik: Als Schüler in Krailing im Jahre 1904

 

Krailing 1904

Der Vater von Alfons Brunner kam 1904 in die Volksschule Krailing und erzählt seinem Sohn folgendes:

„Im Jahr 1904 kam ich in die erste Klasse der Volksschule in Krailing. Ich ging damals noch in das alte Schulhaus, das heute einer Privatperson gehört. Der Lehrer Kranhofer versah in diesem Jahr zum ersten Male den Schuldienst in Krailing. Ich mochte ihn recht gerne, denn er war stets sehr freundlich und schnupfte, was uns Kindern sehr gefiel.


Das Klassenzimmer, in dem der Unterricht erteilt wurde, war durch die große Anzahl der Kinder stets übervoll. 90 und mehr Kinder aus 7 Klassen verlangten vom Lehrer viel Geduld und Nervenkraft. Wir waren auch nicht die ruhigsten und bravsten. Oft zog der Lehrer zu seiner Entlastung Kinder aus den oberen Klassen heran, die hauptsächlich mit den Erstklassisten schreiben, rechnen und lesen mußten, während er sich mit den anderen Klassen beschäftigte. Es war auch ein kleiner Nebenraum vorhanden, in dem die „Nachhilfe“ durch die älteren Schüler geschah und wo der Lehrer dann und wann kontrollierte, ob alles seinen richtigen Lauf nehme.


Wir hatten im Winter vormittags und nachmittags Schule, vormittags von 8.00 bis 11.00 Uhr, nachmittags von 12.00 bis 14.00 Uhr. In der Mittagspause gingen die Schüler aus dem Orte zum Essen nach Hause, während wir aus den weiter entfernten Ortschaften unser Pausebrot verzehrten. Es bestand meist aus einem großen Stück trockenen Bauernbrotes. Untereinander tauschten wir oft unser eigenes Stück Brot gegen ein anderes ein, das einen anderen Geschmack aufwies und uns deshalb besser mundete als das unsere, das wir täglich essen mußten. Manchmal kam es auch vor, daß wir das Brot gegen ein „Fünferl“ vertauschten und uns dafür einen halben „Wecken“ kauften, der für uns etwas Seltenes war.


Im Sommer besuchten wir die sogenannte Halbtagsschule. Die Oberklassen gingen vormittags von 8.00 - 11.00 Uhr zur Schule, die Unterklassen von 12.00 - 14.00 Uhr. Normalerweise war die Unterrichtsdauer für die 1. - 7. Klasse gleich lang. Interessant für dich ist es vielleicht zu hören, daß wir damals bereits die 5 - Tage - Woche hatten. Jeder Donnerstag war schulfrei. Der Schulbeginn war anders als heute. Das neue Schuljahr begann nach Ostern.


Die Ferieneinteilung war etwa so wie heute. Wir hatten Osterferien, große Ferien und Weihnachtsferien. An Allerheiligen war nicht frei. Die Disziplin während der Unterrichtszeit wurde durch die sog. Prügelstrafe stets zur Zufriedenheit aufrecht erhalten. Reklamationen wegen zu harter Strafen von Seiten der Eltern erfolgten meines Wissens nicht. Die Eltern waren selbst sehr strenge mit uns Kindern. Ich kann mich noch gut an eine Episode erinnern, an die ich oft mit Schmunzeln denken muß. Einer meiner Schulkameraden - er war eine Klasse vor mir - sollte vom Kaplan für den Ministrantendienst unterrichtet werden. So mußte er natürlich die anfallenden lateinischen Gebete auswendig lernen.

 

Wenn der Herr Kaplan sie während des Religionsunterrichtes abfragen wollte, mußte er einige Male hintereinander ein klägliches Versagen des Prüflings erleben. Das Ende vom Lied waren dann tüchtige Prügel wegen Faulheit. Das wurde nun dem Jungen allmählich doch zu bunt und in seiner Not griff er zu einem absurden Mittel. Er band sich vor der Religionsstunde eine eigens zu diesem Zwecke mitgebrachte hausgemachte Blutwurst auf den Körperteil, der durch den Stock des Kaplans immer zu leiden hatte. Als sich nun bei der neuerlichen Befragung des Kandidaten sein Versagen wiederum herausstellte, griff der Priester gewohnheitsmäßig zum Züchtigungsmittel und verabreichte dem Sünder eine Portion Prügel. Aber schon beim ersten Hieb mußte er zunächst mit Entsetzen die Wirkung seines Schlages feststellen. Rotes, dickflüssiges Blut floß aus den Hosenbeinen des Gezüchtigten. Die ganze Klasse lachte und brüllte vor Begeisterung.

 

Der verdutzte geistliche Herr hatte schnell begriffen und ließ den Stock nun mit Energie und Vergnügen noch einige Male auf dem Hosenboden des Helden tanzen, der diesen Versuch kein zweites Mal wiederholte und seine Gebete das nächste Mal beherrschte. Noch einiges über unser Schulzimmer: Durch eine breite Holzstiege kamen wir vom Erdgeschoß in den ersten Stock, in dem unser Schulzimmer lag. Es war etwa 8 x 7 m groß, die Wände waren weiß getüncht. 6 Fenster sorgten auch im Winter für eine ausreichende Helligkeit.

 

Elektrisches Licht gab es nämlich während meiner Schulzeit bei uns noch nicht. Wir Kinder saßen auf durchgehenden Bänken. Es waren etwa 6 - 7 auf jeder Seite. In der Mitte und an den Außenseiten waren jeweils schmale Gänge. Vorne stand ein altes Katheder, ganz hinten ein Kachelofen, der im Winter wohltuende Wärme spendete. Sonst kann ich mich an nichts mehr erinnern. Es ist schon so lange her.


Die ersten Jahre meines Schülerdaseins verbrachte ich unter dem erwähnten Lehrer Kranhofer. Diesem folgte der Lehrer Kollmannsberger, den ich ab 1907 hatte. 1909 erfolgte ein neuer Lehrerwechsel. Lehrer Hans Butz war nun mein Vorgesetzter. Die beiden letztgenannten Herrn gingen mit meinem Vater auf die Jagd.Sie bekamen ihr Schußgeld und ab und zu durften sie gratis Rebhühner schießen.


Ob sie gut oder schlecht geschossen haben, weiß ich nicht. Jedenfalls war es für sie ein willkommener Ausgleich und eine Abwechslung im Schulgeschehen. Das Jahr 1911 war für die Schule Krailing ein sehr bedeutsames.
1. Es wurde ein neues Schulhaus gebaut.
2. Die bisher einklassige Schule wurde zweiklassig.
Es sollten von jetzt an immer zwei Lehrer den Unterricht wahrnehmen. Ich erlebte diese Zeit als Feiertagsschüler. Die Feiertagsschule dauerte zu meiner Zeit drei Jahre. Wie der Name schon sagt, fand sie an einem Feiertag und zwar am Sonntag statt. Sie begann mit dem Besuch des Pfarrgottesdienstes in der Pfarrkirche zu Prackenbach, im Winter um 9.30 Uhr und im Sommer um 9.00 Uhr. Danach mußten wir uns auf den Weg in das eine Dreiviertelstunde entfernte Dorf Krailing zum Feiertagsunterricht begeben. Gegen 14.00 - 15.00 Uhr kamen wir am Nachmittag heim.


Am Schluß jeden Jahres mußten wir in einer Abschlußprüfung, die der damalige Schulinspektor Pfarrer Weis aus Viechtach abnahm, über unsere Fortschritte Rechnung geben. Es gab damals nur 4 Notenstufen mit entsprechenden Zwischennoten wie  1 1/2, 2 1/2, 3 1/2. Das sind die Erinnerungen, die ich mir aus meiner Schulzeit in die Gegenwart hereingerettet habe. Das meiste hat der „Zahn der Zeit“ aus meinem Gedächtnis fortgejagt.“

Entnommen aus der Zulassungsarbeit von Alfons Brunner vom 9. April 1964, S. 44 - 46